Junge Welt-Artikel über Faust und play loud!-Filme
25.06.2010 / Feuilleton / Seite 12Inhalt
Steine verbrennen
Große Krautrockoffensive auf Vinyl und im Kino
Von Robert MießnerMetall trifft auf Metall: Sägend und flirrend ist der Sound des Glockenspiels aus Stahlrohren und -platten; als sei ein Walzwerk in den kosmischen Groovekoller gekippt. Der Schlagwerker bedient seine Gerätschaften (Instrumente klänge zu bürgerlich) schon mal in der Hocke. Es ist unwiderstehlich laut. Das Konzert, von dem hier die Rede ist, fand 2005 in Westdeutschland statt. Der Schlagwerker heißt Arnulf Meifert. Das erste Mal seit Urzeiten stand er wieder mit der legendären Krautrockband Faust auf der Bühne.
Faust oder John Peel gaben der kosmischen Musik in den 70ern ihren Namen. Faust spielten da schon in der Zukunft; nahmen Industrial vorweg, einen der innovativsten und provokantesten Begleiter von Punk. Ihr hypnotischer Mix aus stoisch wiederholten Rhythmen und übereinander geschichteten Soundblöcken war und ist Rock jenseits der Stadionbespaßung. Dabei verfügt die Band über einen ordentlichen Schuß anarchistischen Humors.
Man kann das prüfen, indem man sich die jetzt wiederveröffentlichten ersten Alben »Faust« (1971) und »So Far« (zugänglicher, 1972) anhört. Dazu noch das Reissue ihrer ersten und einzigen Polydor-Single »So Far/It’s A Bit Of Pain« auf 7’’ – das sind die Dinger, die man nicht in den iPod tun kann. Oder man greift gleich zum neuen Doppelalbum »Faust Is Last«. »Brumm und Blech« heißt der erste, noch langsam-zerrende Track, der in das Space-Jazz-Stück »Imperial Lover« übergeht. Dann kommt der Bruch: Motorenrock, eine schlingernde Orgel und Stimmfetzen: »Feed The Greed«. Ein ähnliches Stück mit heftigem Schreibmaschinenrhythmus heißt »Steinbrand«.
In dem Stück »X-Ray« spielt Alfred Harth Saxophon – Krautrock und freierer Jazz wohnen nicht weit voneinander entfernt. Am Ende der ersten Platte steht gar eine Pianoballade namens »Day Out«. Die zweite ist weniger collagenhaft und atmosphärischer. »Karneval« hat ein leicht orientalisches Gepräge, und »Ozean« erinnert ein wenig an Velvet Undergound. Damit keine wohlfeile Gemütlichkeit aufkommt, gibt es zwischendrin »InButOut«, einen geklöppelten und getrommelten Geniestreich, zu dem die Berlinerin Alexandra von Bolz’n singt. Es dürfte Zeitgenossen geben, die das, was sie da tut, nicht Gesang nennen wollen. Mögen sie weiterdämmern.
Wer aber schon mal wach ist, kommt an dem Album »No Apologies« nicht vorbei, das Faust-Mitbegründer und Keyboarder Hans-Joachim Irmler 2009 zusammen mit FM Einheit, bis Mitte der 90er Perkussionist der Einstürzenden Neubauten, herausbrachte. Mit »No Apologies«, Siebdruckcover und limitiert, schließen sich gleich mehrere Kreise, daß es eine lautstarke Freude ist. Das Vinyl endet mit der Keyboardmelodie aus »Beware«, dem Beitrag von Faust und Gary Burger auf dem 2006 bei play loud! erschienenen Monks-Tribute-Doppelalbum »Silver Monk Time«. Das haben Dietmar Post und Lucía Palacios produziert und zum Soundtrack ihres Dokfilms »Monks – The Transatlantic Feedback« gemacht. Die Filme- und Labelmacher sind mit Faust und deren Label Klangbad befreundet. Im Laufe des Jahres wollen sie einen Auftritt von FM Einheit und Hans-Joachim Irmler in der Panoramabar des Berghain auf CD und DVD herausbringen.
Zwei neue Filme von Post und Palacios sind gerade erschienen: »Faust Live« dokumentiert das komplette Liveset von 2005, »Klangbad: Avant-Garde In The Meadows« ist eine Dokumentation des Klangbad-Festivals von 2005. Sie fängt wesentlich ruhiger an als »Monks – The Transatlantic Feedback«. Dabei bleibt es nicht: Faust sind dabei, ganz klar. Und Minit, Jutta Koether, Kammerflimmer Kollektief, Cpt. Howdy, Circle, The One Ensemble Of Daniel Padden, Steven W. Lobdell, Nista Nije Nista.
»Seltsame Musik« nennen Klangbad, was sie da veranstalten. Unter uns und frei nach David Thomas von Pere Ubu: Seltsam sind Britney Spears und Justin Timberlake. Die DVD »Avant-Garde In The Meadows« hat heute im Hackesche-Höfe-Kino Berlin Premiere. Es kann passieren, daß man die Stadt danach mit anderen Ohren hört.
Die Alben »Faust Is Last« und »No Apologies« (FM Einheit und Hans-Joachim Irmler) sind bei Klangbad erschienen, die Filme »Faust Live« und »Avant-Garde In The Meadows« bei play loud!, letzterer läuft heute, 22.15 Uhr, im Kino Hackesche Höfe, Berlin.
Faust oder John Peel gaben der kosmischen Musik in den 70ern ihren Namen. Faust spielten da schon in der Zukunft; nahmen Industrial vorweg, einen der innovativsten und provokantesten Begleiter von Punk. Ihr hypnotischer Mix aus stoisch wiederholten Rhythmen und übereinander geschichteten Soundblöcken war und ist Rock jenseits der Stadionbespaßung. Dabei verfügt die Band über einen ordentlichen Schuß anarchistischen Humors.
Man kann das prüfen, indem man sich die jetzt wiederveröffentlichten ersten Alben »Faust« (1971) und »So Far« (zugänglicher, 1972) anhört. Dazu noch das Reissue ihrer ersten und einzigen Polydor-Single »So Far/It’s A Bit Of Pain« auf 7’’ – das sind die Dinger, die man nicht in den iPod tun kann. Oder man greift gleich zum neuen Doppelalbum »Faust Is Last«. »Brumm und Blech« heißt der erste, noch langsam-zerrende Track, der in das Space-Jazz-Stück »Imperial Lover« übergeht. Dann kommt der Bruch: Motorenrock, eine schlingernde Orgel und Stimmfetzen: »Feed The Greed«. Ein ähnliches Stück mit heftigem Schreibmaschinenrhythmus heißt »Steinbrand«.
In dem Stück »X-Ray« spielt Alfred Harth Saxophon – Krautrock und freierer Jazz wohnen nicht weit voneinander entfernt. Am Ende der ersten Platte steht gar eine Pianoballade namens »Day Out«. Die zweite ist weniger collagenhaft und atmosphärischer. »Karneval« hat ein leicht orientalisches Gepräge, und »Ozean« erinnert ein wenig an Velvet Undergound. Damit keine wohlfeile Gemütlichkeit aufkommt, gibt es zwischendrin »InButOut«, einen geklöppelten und getrommelten Geniestreich, zu dem die Berlinerin Alexandra von Bolz’n singt. Es dürfte Zeitgenossen geben, die das, was sie da tut, nicht Gesang nennen wollen. Mögen sie weiterdämmern.
Wer aber schon mal wach ist, kommt an dem Album »No Apologies« nicht vorbei, das Faust-Mitbegründer und Keyboarder Hans-Joachim Irmler 2009 zusammen mit FM Einheit, bis Mitte der 90er Perkussionist der Einstürzenden Neubauten, herausbrachte. Mit »No Apologies«, Siebdruckcover und limitiert, schließen sich gleich mehrere Kreise, daß es eine lautstarke Freude ist. Das Vinyl endet mit der Keyboardmelodie aus »Beware«, dem Beitrag von Faust und Gary Burger auf dem 2006 bei play loud! erschienenen Monks-Tribute-Doppelalbum »Silver Monk Time«. Das haben Dietmar Post und Lucía Palacios produziert und zum Soundtrack ihres Dokfilms »Monks – The Transatlantic Feedback« gemacht. Die Filme- und Labelmacher sind mit Faust und deren Label Klangbad befreundet. Im Laufe des Jahres wollen sie einen Auftritt von FM Einheit und Hans-Joachim Irmler in der Panoramabar des Berghain auf CD und DVD herausbringen.
Zwei neue Filme von Post und Palacios sind gerade erschienen: »Faust Live« dokumentiert das komplette Liveset von 2005, »Klangbad: Avant-Garde In The Meadows« ist eine Dokumentation des Klangbad-Festivals von 2005. Sie fängt wesentlich ruhiger an als »Monks – The Transatlantic Feedback«. Dabei bleibt es nicht: Faust sind dabei, ganz klar. Und Minit, Jutta Koether, Kammerflimmer Kollektief, Cpt. Howdy, Circle, The One Ensemble Of Daniel Padden, Steven W. Lobdell, Nista Nije Nista.
»Seltsame Musik« nennen Klangbad, was sie da veranstalten. Unter uns und frei nach David Thomas von Pere Ubu: Seltsam sind Britney Spears und Justin Timberlake. Die DVD »Avant-Garde In The Meadows« hat heute im Hackesche-Höfe-Kino Berlin Premiere. Es kann passieren, daß man die Stadt danach mit anderen Ohren hört.
Die Alben »Faust Is Last« und »No Apologies« (FM Einheit und Hans-Joachim Irmler) sind bei Klangbad erschienen, die Filme »Faust Live« und »Avant-Garde In The Meadows« bei play loud!, letzterer läuft heute, 22.15 Uhr, im Kino Hackesche Höfe, Berlin.
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